Am Anfang war der Auftrag

Unser erstes Logo: Die Jesus-Gruppe - gemalt von einem Gefangenen!

Jede Woche ....

JVA Stuttgart
JVA Stuttgart

Es ist Freitag, 17 Uhr. Bewaffnet mit Bibel und Gitarre bewegen wir uns auf den Eingang der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim zu, um uns, wie jede Woche von halb sechs bis halb acht Uhr, mit Gefangenen zum Bibelgesprächskreis der Jesus-Gruppe zu treffen.
Nach dem wir unserer Ausweise an der Pforte abgegeben haben, öffnet sich die Eingangstüre und wir gelangen über den Innenhof in das Innere des Gebäudekomplexes. Viele Türen müssen sich uns öffnen bis wir im Inneren des Gebäudes angelangt sind.
Mit dem Aufzug fahren wir in den 7. Stock zu unseren Gruppenräumen, während die Beamten die Gefangenen, die von ihnen aus ihren Zellen geholt werden, ebenfalls nach oben bringen. So kommen wir in die Räume, in denen die Gruppenabende stattfinden.
Nach großer Begrüßung gehen wir, zunächst gemeinsam, singend und betend und mit kurzer Wortbetrachtung in diesen Abend hinein. Anschließend beschäftigen wir uns in zwei Gesprächsgruppen von je zwölf Mann mit den herrlichen Wahrheiten der Bibel.

Wie alles begann.....
Wieder einmal gehen meine Gedanken zurück in das Jahr 1986. Damals, Anfang November, hat unser Herr den Beginn für diese Gesprächsgruppen gesetzt. Bald nach meiner Bekehrung, am Pfingstsamstag 1983 - damals arbeitete ich bereits im Stammheimer Gefängnis - ließ mir die Möglichkeit, den Gefangenen die wunderbare Botschaft Jesu weiterzugeben, keine Ruhe. Ich hatte keine Ahnung doch das Verlangen Jesu im Herzen, meine so überaus positive Erfahrungen mit Ihm, ihnen mitzuteilen.
Schon bald war mir klar, dass dies nicht meinem Wunsche entsprang, sondern dem Willen Gottes. Zwar hatte ich von solch einer Aufgabe keine Ahnung, aber mit einem von Jesus getriebenen Verlangen betete ich zunächst um eine ganz klare Bestätigung für diese Aufgabe.

Da waren Vorurteile abzubauen
Es sollte jedoch noch über ein Jahr dauern, bis Gottes Zeit gekommen war. Zunächst begann der Heilige Geist mich durch alle möglichen Situationen auf diesen Dienst vorzubereiten. Da waren Vorurteile, bestimmte Verhaltensweisen gegenüber den Gefangenen und auch Menschenfurcht bei mir abzubauen.

Die Bestätigung
Doch dann stellte mir Gott den Beginn dieser Arbeit durch ein klares Signal vor Augen.Es geschah folgendes: Eines Tages bekam ich einen Anruf von einer Bekannten aus Nagold, die mich bat, mich um einen Gefangenen zu kümmern, den sie fünf Jahre lang betreut hatte. Er sei wieder straffällig geworden und wäre jetzt wieder in Untersuchungshaft in Stammheim.

"Der liegt ganz auf ihrer Linie"
Einen Tag später rief mich ein Kollege vom allgemeinen Vollzugsdienst an und teilte mir mit, dass in seiner Abteilung ein Gefangener sei, der "ganz auf meiner Linie" läge. Er wusste, dass ich Jesus nachfolge, da ich nach meiner Bekehrung allen erzählte, wie gut es mir seit dieser gewaltigen Veränderung in meinem Leben geht.

Es handelte sich immer um den gleichen Gefangenen
Am selben Abend bekam ich einen Anruf vom Chapterleiter der "Geschäftsleute des vollen Evangeliums", Stuttgart, mit dem Hinweis, ein Gefangener hätte an die Zentrale geschrieben und würde um Verbindungsaufnahme bitten.
Bei allen drei Hinweisen handelte es sich um den gleichen Gefangenen. Dieser so eindeutige Fingerzeig Gottes und die damit verbundenen ersten Gehversuche in der Betreuung dieses Mannes waren Bestätigung und Gewissheit; die Arbeit konnte beginnen.

Die ersten Treffen
"Mit Jesus Christus zu neuem Leben." So stand es auf unserem Einladungsplakat, das in jedem Stockwerk der Anstalt hing.
Nach vier Wochen ging ich an einem Freitag zum ersten Mal mit bangem Herzen in den Gruppenabend.

Keiner hörte dem Anderen zu
Sechs Mann waren meinem Aufruf gefolgt. Nur mit der Gewissheit im Herzen: "Dies ist deine dir von Gott gegebene Aufgabe", aber sonst keine Ahnung, saß ich den Männern gegenüber.
Entsprechend verlief der Abend. Jeder versuchte, sein religiöses Verständnis als das einzig richtige darzustellen. Der Erfolg war, dass keiner dem anderen zuhörte und nichts als Streitereien produziert wurden. Auch ich machte da keine Ausnahme.

Unterstützung
Nach zwei so verlaufenen Gruppenabenden war ich soweit. ich fühlte mich der Aufgabe nicht gewachsen und beschloss in meinem Inneren wieder aufzuhören.
Vorher ging ich jedoch zu meinem Pastor und berichtete ihm alles. Dieses Gespräch hatte ungeahnte Auswirkungen. Zum ersten Mal erfuhr ich direkt die Macht des Gebets.
Zunächst wurde ich jedoch ermutigt weiterzumachen und nicht aufzugeben. Was ich nicht wusste: Mein Pastor predigte in regelmäßigen Abständen am Freitag in den Vormittagsgottesdiensten, die in unserem Altenheim stattfinden. Dort bat er unsere alten Geschwister, für die Arbeit im Gefängnis zu beten, vor allem in der Zeit von halb sechs bis halb acht Uhr.

Gott erhört Gebet
Nichts von all dem ahnend ging ich, bewaffnet mit Bibel und Gitarre, zu den Männern ins Gefängnis. Nachdem wir miteinander gesungen und gebetet hatten, geschah ein Wunder.
Das erste Mal wurde nicht gestritten. Jeder war bereit, auch dem anderen zuzuhören. Der Abend verlief so harmonisch, dass ich beinahe fassungslos davorstand, Halleluja! Gott hatte die Gebete meiner Geschwister erhört und entsprechend eingegriffen.

Der Name
Ich hatte auf meinem Plakat zu einer neuen Erfahrung mit Jesus Christus eingeladen. Damit ein Gefangener an der Gruppe teilnehmen kann, muss er sich mit einem entsprechenden Antrag an den Freizeitbeamten wenden mit der Bitte, ihn in die Liste der Gruppenteilnehmer einzutragen.
Sämtliche Gruppen wurden automatisch nach dem benannt, was dort angeboten wurde, z. B. Schachgruppe, Tischtennisgruppe usw. So wäre es eigentlich folgerichtig gewesen, wenn die Gefangenen sich zur "Bibelgruppe" oder zum Bibelgesprächskreis gemeldet hätten. Aber unser Herr hat es anders geführt. Er hat dieser Gruppe seinen Namen gegeben. Alle Anträge der Gefangenen waren beinahe von Anfang an, ohne dass irgend jemand dies vorher publiziert hätte, so formuliert: "Ich möchte an der Jesus-Gruppe teilnehmen." Dieser Name ist bis heute geblieben.
Inzwischen ist er im Gefängnis zum festen Begriff geworden. Briefe oder Postkarten aus anderen Gefängnissen werden immer adressiert "An die Jesusgruppe". Wenn mein Name nicht dahintersteht, bekomme ich alle trotzdem automatisch auf meinen Schreibtisch. Es ist gut, sich mit dem Namen Jesus zu identifizieren.

Erfahrungen
So sind wir jetzt im dreiunddreißigsten Jahr unserer Arbeit angekommen. Dankbar dürfen wir auf Gottes wunderbares Wirken zurückschauen. Kranke wurden geheilt an Geist, Seele und Leib. Männer haben aus tiefster Not Jesus gefunden. Durch Gebetserhörungen zeigte Gott den Gefangenen in wunderbarer Weise, dass er wirklich auferstanden ist und lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit und sie deshalb dadurch Befreiung von der Sünde erfahren können.
Heute haben wir in der JVA Stuttgart fünf Gruppen in die je zwölf Gefangene kommen können: zwei für die deutsch sprechenden Gefangenen, je eine für englisch und rumänisch sprechende Gefangene. Auch sie können in ihrer Landessprache das Evangelium durch die entsprechenden Übersetzungen lesen. Weitere Jesus-Gruppen gibt es in der der JVA Heilbronn.
Unser Auftrag und zugleich die Motivation steht im Buche des Propheten Jesaja:
Der Geist Gottes, des Herrn, ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat, um den Elenden gute Botschaft zu verkuendigen; er hat mich gesandt, zerbrochene Herzen zu verbinden, den Gefangenen Befreiung zu predigen, den Gebundenen Oeffnung der Kerkertueren; zu predigen ein Gnadenjahr des Herrn.

In tiefer Dankbarkeit verneigen wir uns vor dem allmächtigen Gott und unserem HERRN Jesus Christus.